Das Konzept des Grillens ist gedanklich so stark an Fleisch gekoppelt, dass es schwerfällt, sich einen Grill ohne Würstchen und Steaks vorzustellen. Dabei vergessen viele, dass es Gemüsesorten gibt, die auf dem Grill weit mehr sein können als nur Beilage oder Vegetarier-Option. Gemüse entwickelt sich sukzessive zum Grillgut, das – wenn es richtig vor- und zubereitet wird – dem Fleisch auf Augenhöhe begegnen kann. Wir stellen euch fünf Gemüsesorten vor, die auf dem Grill zu regelrechten Aromabomben avancieren können und geben Tipps für die Zubereitung auf direkter und indirekter Hitze.

 

Röstaromen vom Grill für mehr geschmackliche Tiefe

 

Bevor wir uns dem Thema Gemüse auf dem Grill anhand konkreter Beispiele und Empfehlungen widmen, werfen wir noch einen Blick auf das Thema Röstaromen. Sie sind essenzieller Bestandteil der Faszination eines Steaks und sorgen in Verbindung mit Fleisch für die gewünschte Tiefe im sonst eher dezenten Aroma eines Steaks. Doch was beim Fleisch funktioniert, führt auch beim Gemüse zu ungeahnter Geschmackstiefe. Das ist beim Gemüse sogar noch wichtiger, da hier der hohe Wasser-Anteil zu einem sehr dezenten Grundgeschmack führt. Röstaromen können nicht nur an tierischen Proteinen entstehen, sondern auch an pflanzlichen Proteinen, die in nahezu jedem Gemüse vorkommen. Dann verstärken und verändern sie den Geschmack in eine Richtung, die oft überrascht. Wer einmal eine perfekt geröstete Zucchini mit einer gekochten Zucchini verglichen hat, versteht den Wert von Röstaromen sofort.

 

Neben dem Erzeugen von Röstaromen eignet sich der Grill genauso zum schonenden Garen von Gemüse, bei dem gerade intensive Sorten ihr intensives Eigenaroma vollends Entwickeln können. Wurzelgemüse oder Spargel zum Beispiel - mit etwas Olivenöl im Halbmond-Einsatz gedünstet: Beilagen, die den Steaks auf dem Grill schon mal die Show stehlen können. Auch die Kombination aus Röstaromen und langen Garprozessen fördert kulinarische Highlights zu Tage. Gerade in dieser Verbindung aus kurzzeitiger hoher Hitze und einer anschließenden Phase mit gemäßigter Hitze zum Garen und Dünsten zeigt der Grill seine besondere Stärken. Werfen wir also einen Blick auf weitere Highlights aus der Gemüsekiste.

 


 

Zucchini

Bleiben wir direkt bei der Zucchini. Sie gehört zu jenen Gemüsesorten, die auf dem Grill bereits einen festen Platz haben und anschließend meist als Beilage oder Antipasti veredelt werden. Oft jedoch bleibt es bei einem sanften Garen auf einem mittelheißen Rost, der nur dezente Röstspuren hinterlässt – dabei braucht es die Zucchini heftig und heiß. Man sollte sie nicht verkohlen, aber je dunkler die Röstspuren sind und je mehr sie davon abbekommt, desto mehr Geschmack können wir dem sonst sehr zurückhaltenden Gemüse einhauchen. Das gilt übrigens für Zucchini-Scheiben genauso wie für ganze Zucchinis, die erst scharf angeröstet und anschließend indirekt weichgeschmort werden können.

 

Chicorée

Chicorée oder auch Radicchio auf dem Grill? Aber hallo! Beide Gemüsesorten werden aufgrund ihrer Bitterstoffe oft verschmäht, doch beim indirekten Grillen verändern sich Aroma und Konsistenz komplett und es entsteht ein cremig-saftiges Endprodukt, das nur noch leichte Bitternoten und feine Karamelltöne aufweist. Dazu ist es notwendig, den Chicorée lang und bei niedriger Temperatur zu garen. Zwei Stunden bei 140 Grad indirekter Hitze zum Beispiel führen zu genau diesem überraschenden Ergebnis, wenn man den Kohl immer wieder mit einem dezent gewürzten Öl einpinselt. Dann karamellisieren die äußeren Blätter und das Innenleben zerfällt zu einer intensiven Chicorée-Creme. Hier setzen wir also nicht auf die Kraft der Röststoffe, sondern das schonende Low & Slow garen, das wir zum Beispiel vom American BBQ kennen – nur eben im Gemüse-Kontext.

 

Fenchel

Fenchel gehört zu jenen Gemüsen, die im rohen und gegarten Zustand völlig unterschiedliche Geschmacksprofile aufweisen. Während der Fenchel roh sehr anislastig schmeckt und auch gekocht noch ein latent medizinartiges Aromenprofil zeigt, sorgt das Grillen – beispielsweise auf einer Plancha – für ein Karamellisieren der reichlich vorhandenen Zuckermoleküle. Das verändert den Gesamtgeschmack soweit, dass sich selbst Fenchel-Hasser dem Knollengemüse nicht mehr entziehen können. Auch hier gilt: Großzügig mit Öl bepinseln und kräftiges Würzen hilft, den Geschmack in neue Sphären zu katapultieren. Statt der Plancha funktioniert hier auch der Halbmond-Einsatz als guter Wärmeleiter in Verbindung mit etwas Olivenöl.

 


 

Kürbis

Kürbis gilt zwar als saisonale Spezialität, ist mittlerweile in Lebensmittelläden aber das gesamte Jahr über verfügbar. Das geniale am Kürbis vom Grill ist: Man kann ihn auf unterschiedlichste Art und Weise verarbeiten, da ihm Röstaromen in jeder Form stehen. Wer es schnell und knackig mag, röstet dünne Kürbisscheiben vom Hokkaido (mit Schale) richtig scharf auf der Griddle Plate an und serviert sie anschließend noch fast roh im Kern zu einem rustikalen Salat. Wer’s gerne mürb und süßlich mag, röstet dicke Spalten an und gart sie anschließend indirekt bei 180 Grad für eine Stunde zu einem cremig-süßen Kürbisgemüse, das perfekt zu geschmortem Fleisch und Polenta passt. Tipp: Kürbis verträgt viel Würze und süße Marinaden auf Basis von Honig und Sojasauce, die zusätzliche Karamell-Aromen beisteuern.

 

Pilze

Pilze vom Grill beschränken sich meist auf Champignons, dabei ist die Pilzvielfalt am Markt so viel größer. Austernseitlinge und Kräuterseitlinge als kultivierte Speisepilze sind dauerhaft verfügbar, im Herbst kommen Steinpilze, Pfifferlinge und Parasolpilze dazu, vielleicht ja sogar selbst gesammelt. Scharf angebraten mit Röststreifen von der Griddle-Plate kommen alle Vertreter der Pilze besonders geschmacksintensiv zur Geltung. Sie verlieren etwas Wasser, entfalten an der Außenseite kräftige Pilznoten und erinnern durch ihre feste Faserstruktur verblüffend an Fleisch. Dazu trägt sicher auch der hohe Gehalt an geschmacksverstärkender Glutaminsäure bei, die auch beim Fleisch für den mundfüllenden Umami-Geschmack sorgen.

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