Second Cuts sind in aller Munde – wortwörtlich. Neue Steak-Schnittführungen aus bislang eher vernachlässigten Stücken im Rind, bringen Abwechslung beim Grillen und tragen maßgeblich dazu bei, eine Wertsteigerung einzelner Teilbereiche des Tiers zu erreichen. Einige dieser neuen Cuts erschließen dabei kulinarisch neue Welten. Bestes Beispiel: Das Onglet. Die Franzosen lieben den länglichen Cut schon lange und langsam schwappt die Faszination für den Nierenzapfen auch nach Deutschland. Kenner beschreiben ihn als eines der spannendsten Stücke für den Grill. Zeit, sich dieses besonderes Stück Fleisch etwas genauer anzusehen.

 

Der Stützmuskel des Zwerchfells

Anatomisch gesehen ist das Onglet der Stützmuskel des Zwechfells, man nennt ihn in Deutschland “Nierenzapfen.” Mit der Niere hat er allerdings nichts zu tun – abgesehen von einer ähnlichen Lage im Rind. Andere Nationen gaben dem Cut andere Namen, in Frankreich rangiert der Zuschnitt unter dem Begriff “Onglet”, im englischsprachigen Raum ist meist von “Hanging Tender” oder “Hanger Steak” die Rede. Unbabhängig davon, welchen Namen man ihm gibt, sorgt das Onglet immer wieder für kulinarische Überraschungsmomente. Das erste Onglet verschiebt bei vielen den Horizont dessen, was Fleisch aromatisch bieten kann.

Woher rührt die Begeisterung für das Aroma des Onglets? Es ist wohl die einzigartige Intensität und Komplexität des Geschmacks: Kernig, intensiv, rindig, kräftig. Das sind Attribute, die auf das Onglet zutreffen, wie auf keinen anderen Cut im Rind. Es gab schon Fleischfans, denen der Geschmack dieses Cuts sogar zu intensiv war. Wer intensive Fleisch-Aromen mag, wird das Onglet lieben, denn hier potenziert sich all das, was in Filet, Roastbeef & Co nur in Anklängen schmeckbar ist. Das Aroma erinnert viele an Innereien wie Leber oder Herz. Doch obwohl das Onglet tatsächlich zu den Innereien gezählt wird, besteht es aus reinem Muskelfleisch. Die Einordnung geht vielmehr auf seine Lage zurück, in unmittelbarer Nähe zu Leber und Niere, die auch geschmacklich auf den Nierenzapfen abfärben. Das Onglet schmeckt eisenhaltig und mineralisch. Je nach Rasse, Alter des Tiers und Dauer der Reifung, intensiviert sich dieser Geschmack noch weiter zu einem oftmals einzigartigen kulinarischen Erlebnis.

 

 

Ein einzigartiger Muskel

Das Onlget ist ein einzigartiger Muskel – das sollte jetzt bereits klar sein. Einzigartig ist außerdem, dass es diesen Cut im Rind nur einmal gibt. Während fast alle anderen Bereiche im Rind – gespiegelt rechts und links der Wirbelsäule – doppelt vorkommen, ist das beim Onglet nicht der Fall. Die geringe Nachfrage nach diesem bis dato unterschätzten Cut sorgt allerdings dafür, dass diese numerische Unterlegenheit gegenüber den anderen Edelcuts kaum auffällt.
Wer ein Onglet im Ganzen kauft, sollte sich darüber im Klaren sein, dass es noch etwas Arbeit bedarf, um diesem Muskel vollends genusstauglich zu machen. Eine dicke Sehne durchläuft den Cut – es ist deshalb unabdingbar vor dem Grillen oder Braten noch etwas Parier-Arbeit zu leisten. Da diese Sehne gut sichtbar einmal quer durch den Muskel verläuft, lässt sie sich mit einem scharfen Messer allerdings leicht heraustrennen. Diese Vorararbeit ist Pflicht, denn die Sehne wird beim Grillen nicht weich. Alternativ kann diese Aufgabe auch jeder gute Metzger übernehmen. Wer das Onglet selbst pariert, kann sogar noch etwas Geld sparen.

 

Onglet perfekt zubereiten

Ein Onglet zuzubereiten ist kein Hexenwerk – man kann es im Grunde behandeln wie jedes andere Grill-Steak. Es profitiert von kräftigen Röstaromen und einem Gargrad, der nicht über medium liegen sollte. Kurzum: Das Onglet wird mit grobem Meersalz gesalzen und auf dem heißen Grill von beiden Seiten etwa zwei Minuten angebraten. Da das Steak sehr mager ist, kann es helfen, vor dem Anbraten etwas Öl aufzupinseln – das optimiert die Wärmeleitung und sorgt für eine perfekte Krustenbildung. Anschließend zieht das Onglet bei indirekter Hitze (ca. 180 Grad) für etwa 10 Minuten nach. Am besten kontrolliert man den Garvorgang mit einem Kerntemperaturmesser. Die Franzosen lieben ihr Onglet rare gegart (Kerntemperatur etwa 50 Grad), aber auch medium (56 Grad) oder medium rare (53 Grad) ist es ein Hochgenuss.

 

 

Worauf muss ich beim Onglet-Kauf achten?

Ein gutes Onglet profitiert erstmal von den selben Faktoren, wie alle anderen Fleisch-Cuts auch. Parameter wie tierwohlgerechte Haltung mit Auslauf, eine möglichst stressfreie Schlachtung und gutes, natürliches Futter sind die Grundbedingungen für jede Form von Fleischgenuss. Es ist also zunächst ratsam, sich beim Metzger nach den Hintergründen des Tierlebens zu erkundigen. Was für das Genuss-Erlebnis allerdings genauso entscheidens ist, ist die Reifung. Das Onglet ist von Natur aus kein zarter Muskel. Es wird beansprucht und besteht aus recht groben Fasern. Entscheidend für ein perfektes kulinarisches Erlebnis ist deshalb eine ausreichend lange Reifung im Vakuum. Mindestens zwei Wochen sollte das Onglet gereift sein – besser noch drei Wochen. Dry Aging ist beim Onglet übrigens nicht möglich, da der Muskel weder von Fett noch von Knochen geschützt wird.

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